Die Ära der Wärme-Kraft-Kopplung mit Blockheizkraftwerken (BHKW) begann beim Abwasserverband Altenrhein (AVA) im Jahr 2000. Damals wurden drei identische Anlagen mit je 156 kW elektrischer Leistung installiert. Inzwischen hat die Klärgasmenge zugenommen, so dass grössere Kapazitäten notwendig wurden. Dr. Christoph Egli, Geschäftsführer des AVA, sagt: «Wir führen bei 17 Gemeinden aus den beiden Kantonen St. Gallen und Appenzell Ausserrhoden die Siedlungsentwässerung ab dem Gemeindekanalisationsnetz durch und behandeln das entsprechende Schmutzwasser und den anfallenden Schlamm. Um dies effizient durchführen zu können, setzen wir modernste Technik und Infrastrukturen ein.»
Grosses Einzugsgebiet für die Wärme-Kraft-Kopplung
Die topografischen Verhältnisse unterscheiden sich stark: Während die nördlich gelegenen St. Galler Gemeinden vorwiegend flach sind, liegen die Appenzeller Gemeinden in voralpinen Gebieten. Die höchst gelegene Entwässerungsleitung befindet sich auf 900 Meter über Meer, die ARA selbst auf 400 Meter direkt an der Rheinmündung. Das Einzugsgebiet umfasst rund 63’000 Einwohner und weist eine Grösse von 108 km2 auf. Im Kernprozess «Schlammbehandlung» wird der Schlamm von insgesamt 350’000 Einwohnern getrocknet. In der Faulanlage des AVA werden über 3 Mio. m3 Klärgas erzeugt – mit steigender Tendenz. Diese Menge wird in den beiden heute zur Verfügung stehenden BHKW von Avesco verarbeitet.
Beide 16-Zylinder-Anlagen weisen je eine maximale elektrische Leitung von 824 kW auf. Im Jahr 2019 haben sie gemeinsam einen Ertrag von 6.8 Mio. kWh erreicht. Bei einem Gesamtbezug von 8,4 Mio. kWh Strom ergibt sich ein Eigenverbrauchsgrad von 82 Prozent. Auf die Abwasserreinigung ohne Fremdschlammverarbeitung bezogen liegt der Eigenversorgungsgrad bei über 200 Prozent. Die gleichzeitig erzeugte Wärmeenergie betrug fast 10 Mio. kWh. Zur Maximierung der thermischen Leistung sind für die Wärmerückgewinnung der Gasmotorenabwärme zwei zusätzliche Luft-Wasser-Wärmepumpen (je 1.4 MW) angeschlossen, welche einen Ertrag von über 6 Mio. kWh bieten. Die gewonnene Wärme dient vor allem zur Klärschlammtrocknung, welche im Jahr 2019 insgesamt 12,4 Mio. kWh verbraucht hat. Sowohl die Strom- und Wärmeerzeugung durch die beiden BHKW als auch die bei der Schlammtrocknung eingesetzte Energiewerte weisen Steigerungen auf.
Dank der vorhandenen Produktionskapazität kann der AVA in Zukunft auch externe Abnehmer berücksichtigen. Als zusätzlicher Wärmebedarf wird der anfangs 2020 durch das Stimmvolk genehmigte Bau der «Wärmeversorgung Buriet» gelten, ein Fernwärmeversorgungsprojekt, das nun umgesetzt wird. Die Energie aus gereinigtem Abwasser, mit einer Vorlauftemperatur von 70 °C, kann hier sinnvoll verwendet werden. Das in den Rhein abfliessende Abwasser des AVA gelangt über das Mündungsgebiet des Alten Rheins in den Bodensee. Beide gelten als mit 1. Priorität zu schützende Gewässer. Der Bodensee dient gleichzeitig als Trinkwasserspeicher, Badegewässer und Naherholungsgebiet, was einen hohen Qualitätsstandard des Abwassers bedingt.
Mit vierter Reinigungsstufe zu verbesserter Abwasserqualität
Christoph Egli bestätigt: «Wir engagieren uns für einen effizienten Energieeinsatz und sind daran, die Eigenproduktion kontinuierlich zu erhöhen. Gleichzeitig arbeiten wir beim AVA an der ‚Kläranlage der Zukunft’. Ausdruck davon sind verschiedene innovative Massnahmen, wie z.B. die Reduktion von Methan- und Lachgasemissionen zum Klimaschutz oder die Produktion von Stickstoff- und Phosphordünger zur Schliessung der Stoffkreisläufe. Zudem wird die 4. Reinigungsstufe mit einer im europäischen Raum bislang einzigartigen Verfahrenskombination aus Ozonreaktor und Filterzellen mit granulierter Aktivkohle betrieben.»
Anfangs 2020 wurde der Bau der «Wärmeversorgung Buriet» genehmigt. Das Fernwärmeversorgungsprojekt nutzt die Energie aus gereinigtem Abwasser.