Innovative Entwicklungen zeichnen die Geschichte der Familie Wartmann auf dem thurgauischen Holzhof in Amlikon-Bissegg besonders aus. Bereits Ende des 19. Jahrhunderts hat sie zu den ersten Käsern gehört, die den Tilsiter in die Schweiz brachten und den Grundstein für dessen Erfolg gelegt haben. In den 1970er-Jahren interessierte man sich für eine mögliche Stromproduktion aus den landwirtschaftlichen Abfällen. 1999 waren die entsprechenden technologischen Angebote soweit vorangekommen, dass man auf dem Holzhof eine erste Wärme-Kraft-Kopplungsanlage installieren konnte. 20 Jahre später eröffnete die Familie Wartmann in 5. und 6. Generation den Ausbau mit einem dritten Fermenter und zugebautem Gasspeicher sowie einer neuen Halle für angelieferte Bioabfälle. Heute stehen also drei Blockheizkraftwerke hier im Einsatz.
«Als besondere Errungenschaft betrachte ich die funktionierende Biomasse-Koordination.»
Otto Wartmann
Mit drei Blockheizkraftwerken flexibel im Strommarkt agieren
Otto Wartmann begründet diese Entwicklung: «Zwei wesentliche Argumente für den erneuten Ausbau waren einerseits die schweizweit koordinierte Biostrom-Vermarktung durch Fleco Power, einer Tochtergesellschaft von Ökostrom Schweiz, und anderseits die Option einer automatisierten Prozessführung aller bestehenden und neuen Anlagen auf dem Holzhof. Auf einem Bildschirm haben wir heute den aktuellen Überblick und können mit Prioritäten sowohl die Strom- als auch die Wärmeerzeugung regeln.»
Im Einsatz stehen nun drei Blockheizkraftwerke (BHKW), die eine maximale elektrische Gesamtleistung von 755 kW aufweisen. Die einzelnen Avesco-Einheiten arbeiten maximal mit 190, 245 und 320 kW und werden normalerweise nach der zur Verfügung stehenden Biogasmenge gesteuert. Durch den Ausbau einer dritten Anlage konnte man eine markante Effizienzsteigerung der Substratnutzung erreichen und zu einer Erhöhung der bisherigen Stromproduktion um 50 Prozent kommen. Damit kann – über die Einspeisung ins öffentliche Netz – nun der Bedarf von über 1500 Haushalten gedeckt werden. Die gleichzeitig erzeugte Wärme wird im Wohnhaus, Kuhstall, bei der Schweinezucht und -mast sowie bei der Käseherstellung eingesetzt.
Zusätzlich wird auf einzelnen Dächern des Holzhofs auch Solarstrom gewonnen. Mit einer weiteren Photovoltaik-Anlage soll in Zukunft der Stromverbrauch des gesamten Betriebs gedeckt werden können.
Sinnvolle Stoffkreisläufe erreicht
Auf dem Holzhof wird Mist und Gülle von 45 Milchkühen und einer umfangreichen Schweinemast verarbeitet. Hinzu kommen Bioabfälle von Höfen aus der Region. Dank modernster Fermenter- und Gasspeichertechnik wird der Schwefelanteil im Biogas stark reduziert, was der Funktionsfähigkeit der in den BHKW eingebauten Gasmotoren zugute kommt. Die neu gebaute Speicheranlage übernimmt deshalb auch das in den beiden älteren Anlagen erzeugte Biogas.
«Für uns war es stets ein wichtiges Anliegen, beim Käserei- und Landwirtschaftsbetrieb sinnvolle Stoffkreisläufe schaffen zu können. Dies betrifft nicht nur die Herstellung von wertvollerem Dünger, sondern auch die Wärmenutzung innerhalb des Betriebs. Im Herbst 2020 werden wir deshalb als weiteren Schritt die Abwärme für die Käseproduktion, also für die Erwärmung der Milch, nutzen», sagt Otto Wartmann. Damit wird man auf dem Holzhof im Bereich der Wärme komplett fossilfrei arbeiten können. Der Käsefertiger lässt sich entsprechend umrüsten; sowohl der Tilsiter als auch der eigene Holzhofer-Käse werden so mit erneuerbarer Wärme hergestellt.
Die Potenziale sind grösser als die heutigen Kapazitäten
Otto Wartmann war von 2004 an rund zehn Jahre als Präsident der Genossenschaft Ökostrom Schweiz tätig. Rückblickend meint er: «Als besondere Errungenschaft betrachte ich die funktionierende Biomasse-Koordination und das virtuelle Kraftwerk zur Stromerzeugung, das unter der Leitung von Fleco Power im Jahre 2016 seinen Betrieb aufgenommen hat. 2019 hat diese Organisation mit 160 Anlagen ca. 135 GWh Ökostrom produziert. Die erreichte kontinuierliche Steigerung macht zuversichtlich, dass wir eines Tages das von uns geschätzte Potenzial von rund 700 bis 800 Biogasanlagen auch erreichen werden.»
Als die technischen Voraussetzungen vor 20 Jahren vorhanden waren, aus Biogas effizient Wärme und Strom zu generieren, haben die landwirtschaftlichen Betriebe die Chancen ergriffen. Die Familie Wartmann gehört zu den Pionieren dieser BHKW-Nutzung, hat auch Lehrgeld bezahlt, kann aber heute auf optimale technische Lösungen blicken und damit auch eine solide Grundlage für die Entwicklungsschritte der nächsten, 6. Generation bieten.
Informationen:
Otto Wartmann
Käserei- und Landwirtschaftsbetrieb Holzhof/Tilsit
Hüttlingerstrasse 22, 8514 Amlikon-Bissegg
wartmann@active.ch
www.holzhof.ch