Das Zürcher Weinland ist nicht nur ein land- sondern auch waldwirtschaftlich geprägter Teil des Kantons Zürich. Im ländlichen Buch am Irchel bedecken Wälder gut zwei Fünftel der Gemeindefläche. Allein der Dorfname rührt wahrscheinlich von ehemals grossen Beständen an Buchen her. Holz wird hier seit alters her für Heizzwecke verwendet. Nun zeigt ein vor einem Jahr in Betrieb gesetztes Holzkraftwerk im Weiler Desibach auf, wie durch eine elegante Kombination von Prozessen Produkte aus Holz ökologisch, klimaschonend und energetisch genutzt werden können. In der Zufahrt zum neuen Kraftwerk ist Holz in allen Varianten zu sehen. Vom Vorplatz eines modernen Holzskelettbaus aus schweift der Blick auf einen Schubboden, wo Hackschnitzel auf ihre weitere Verwendung warten. Als würde ein Fön unablässig blasen, strömt warme Luft durch die Öffnungen an die Oberfläche.
Passion Holz
Florian Gut, Landwirt mit Acker- und Weinbau sowie Agrotechniker HF, ist Betreiber der Pionieranlage. Nachhaltige Waldwirtschaft ist seine Passion: «Als Landwirtschaftsbetrieb haben wir viel Wald im Familienbesitz. Über die Jahre wurde es immer schwieriger, das Holz sinnvoll zu nutzen und ein zweites Standbein aufrecht zu erhalten». Als Tüftler hat er massgeblich am Entstehen des gesamten Systems mitgewirkt. So verfügt die Anlage über ein spezielles Trocknungskonzept, das nachträglich ins Prozessleitsystem voll integriert wurde. Die Wärme aus dem Kraftwerk wird nur zu einem Drittel zur Vortrocknung der Hackschnitzel gebraucht, zu einem weiteren Drittel werden viele Häuser des Weilers über ein Nahwärmenetz beheizt und schliesslich zum letzten Drittel von Scheitholz, vorab für Kunden, die Cheminées befeuern. Die Hackschnitzel werden vermehrt auch für Dritte getrocknet. Gut betreibt auch einen Online-Lieferdienst für das vor Ort gespaltene Brennholz und verfügt über genügend Lagerraum für die ganzjährige Auslieferung.
Eine Kaskade von Prozessen
Wie bei anderen Blockheizkraftwerken ist auch hier die gleichzeitige Gewinnung von Wärme und Strom durch einen Gasmotor mit Generator Hauptzweck der Anlage. Eine Führung durch die komplexe Anlage offenbart: Vom Hackgut bis zum verbrennungsfähigen Gas ist es allerdings ein langer Weg:
- Zuerst gelangen die getrockneten Hackschnitzel in einen Pyrolyse-Reaktor. Infolge der Pyrolyse – einem thermochemischen Umwandlungsprozess unter weitgehendem Ausschluss von Sauerstoff – werden organische Verbindungen bei hohen Temperaturen bis zu +500°C gespalten. Es entstehen Holzgas, Pyrolyse-Kohle und Teer, eine zähflüssige, bräunlich-schwarze Substanz. Diese Zwischenprodukte sind für eine Wärme-Kraft-Kopplung so noch nicht nutzbar.
- Anschliessend gelangt das Material in einen Schwebebettreaktor. Feste Bestandteile wie die Kohle werden durch die Zufuhr heisser Luft im Schwebezustand gehalten. Die grösseren Kohle-Stücke verbleiben in einer unteren Schicht, zersetzen sich aber unter Einwirkung der Prozesswärme bei einer Temperatur von +850°C in kleinere Partikel. Diese kleineren Stücke erhalten Auftrieb und zerfallen in die für Pflanzenkohle charakteristische Pulverform. Die vorgängig durch die Pyrolyse entstandenen Teere werden im Schwebebettreaktor fast gänzlich verbrannt. Störende Fremdkörper (Metallstücke, Steine usw.) werden bereits am Eintritt in den Schwebebettreaktor aufgefangen und können über den Störstoffaustrag entfernt werden.
- Das Gas-Feststoff-Gemisch wird durch einen Filter getrieben. Im Filter wird dieses getrennt. Beim abgeschiedenen Feststoff handelt es sich um die Pflanzenkohle, die unten ausgetragen wird.. Weiter geht es mit dem Gasgemisch zu einem Kühler und zu einem Wäscher. Im Wäscher wird das Gas weiter gereinigt. Darüber hinaus wird das Waschwasser gekühlt und die Energie somit nutzbar gemacht.
- Das so vorkonditionierte Holzgas beschickt schliesslich das Blockheizkraftwerk (Leistung 250 kWel). Eine Lagerung grösserer Mengen von bei niedrigem Druck erzeugtem Gas würde einen höheren technischen Aufwand nach sich ziehen und wird daher meist nicht angewandt. Mit der richtigen Mischung des Ausgangsmaterials können die Leistungswerte der Anlage optimiert werden.
Geduld bringt Pflanzenkohle
Eine komplexe Anlage hat eine komplizierte Vorgeschichte. Geduld war gefragt. Gut erzählt, wie von der ersten Variante 2012 bis zur Zusage für die kostendeckende Einspeisevergütung (KEV) 2019 sieben Jahre vergingen: «Ich hatte also Zeit, mir Gedanken zu machen und tapezierte eine Wand mit unzähligen Vorprojektskizzen.»
Genug Zeit, um sich auch mit dem Thema Pflanzenkohle zu beschäftigen. Das organische Material trägt seit Jahrhunderten in zahlreichen Regionen der Welt, v.a. im Tropengürtel, zur Bodenverbesserung bei – meist in Kombination mit anderen organischen Reststoffen. Es dient dabei als Trägermittel für Nährstoffe sowie als Mikrohabitat für Bodenmikroorganismen wie Bakterien und Pilze. Mit der Einarbeitung von Pflanzenkohle in die Böden erhofft man sich zudem hinsichtlich des Klimaschutzes einen positiven Effekt, da das ursprünglich von Pflanzen assimilierte CO2 so langfristig der Atmosphäre entzogen bleibt. Pflanzenkohle wird u.a. auch in der Abwasser- und Trinkwasserbehandlung oder prophylaktisch als Tierfutter-Beimischung gegen Durchfallerkrankungen verwendet. Überdies wird Biokohle auch als Zuschlagsstoff für Beton und Asphalt eingesetzt.
Florian Gut verkauft Pflanzenkohle in der Form von 900 kg schwerer flexibler Schüttgutbehälter (Bigbags) mit dem Absender «Holzenergie Gut» an Gartenbaubetriebe und Grünverwaltungen und verwendet es selbst auf seinem eigenen Landwirtschaftsbetrieb.
Erfahrungswissen
Florian Gut lobt die Kooperation mit der Firma SynCraft, die im Tirol (A) zuhause ist, ebenso die Fähigkeiten der Handwerker der Partnerunternehmen bei der Realisierung des Holzkraftwerks: «Die gehen alle mit unglaublich viel Herzblut an die Sache ran.»
Genauso gern gesehen ist Guts Tatkraft bei der Realisierung des Gesamtsystems (Bauleitung, Planung und Bau der Trocknungsanlage) bei SynCraft; dem StartUp aus einem Team von Verfahrenstechniker gelang 2007 die Entwicklung des neuartigen Schwebefestbettvergasers. «Ohne unsere Pioniere-Kunden wären wir nicht dort, wo wir heute sind», sagt SynCraft-CEO, Marcel Huber
Für das Betreiben einer solchen Anlage insbesondere in der Anfangsphase ist ständige Lernbereitschaft angesagt. Die Inbetriebnahme dauerte drei Wochen, währenddessen drei Fachleute (Elektroniker, Projektentwickler und Inbetriebnahme-Mechaniker) auf dem Hof waren. «Da kommt der Moment, wo Du ins kalte Wasser geworfen wirst und nun die Anlage selber steuern musst», erinnert sich Gut. Auch die Entwickler, so Huber, sind im beständigen Lernprozess involviert: «Der Kunde muss das Kraftwerk früher oder später selbst betreiben und auch Störungen beheben können. Wir fördern dies zukünftig auch in Trainings, welche die Kunden absolvieren können, bevor sie Ihre eigene Anlage erstmals starten.».
Finanzen
Auch bei der Finanzierung ging Florian Gut seinen eigenen Weg: «Ich dachte gar nicht daran, einen Investor an meinem Projekt zu beteiligen.» Die 2016 erteilte Baubewilligung hatte zur Folge, bei der Priorisierung auf der KEV-Warteliste nach vorne zu rücken. Die KEV-Zusage von 2019 war dann das Startsignal für die Kreditvergabe durch die Bank, da damit ein garantierter Stromabnahmepreis zu erwarten war. Geholfen hat ausserdem die Zürcher Landwirtschaftliche Kreditkasse mit einem zinslosen Darlehen und schliesslich die Klimastiftung Schweiz. Dank einer Vereinbarung mit der Stiftung First Climate lassen sich der Hersteller sowie die Käufer von Pflanzenkohle die Klimaleistung entgelten: Durch das Scannen eines QR-Codes jedes einzelnen Bigbags kauft der Empfänger die CO2-Speicherung gleich mit.
Weitere Informationen:
Holzenergie Gut
Florian Gut, 8465 Rudolfingen
info@holzenergiegut.ch
www.syncraft.at
www.holzenergiegut.ch