«Mit dem erneuerbaren Strom aus unserer Biogasanlage unterstützen wir die Versorgung der Gemeinde Zermatt und helfen mit, die anfallenden Speiseresteabfälle sinnvoll zu entsorgen sowie ihr Massnahmenportfolio als Energiestadt markant zu erweitern.» Paul Julen hat mit der Realisierung seiner Matterhorn Biogas Power AG einen innovativen Meilenstein im reichhaltigen Traditionsspektrum seiner Familie gesetzt. Im Jahr 2014 liess er den bestehenden Landwirtschaftsbetrieb an der Peripherie von Zermatt mit einer umfangreichen Biogasanlage ausbauen, im folgenden Jahr nahm man die Produktion auf. Seither unterstützt sie die Stromversorgung der Gemeinde mit Biostrom.
Sinnvolle Verwertung von Abfällen
Die Familie Julen betreibt seit Langem neben der Viehzucht verschiedene Restaurationsbetriebe in und um Zermatt. Unter dem Namen „Tradition Julen“ werden Restaurants, Hotels und Bars geführt. Auch die vor Jahrzehnten begonnene Schafzucht fand in diesen Betrieben Abnehmer. Die Familie Julen besitzt mit 300 Tieren weltweit die grösste Zucht der Schwarznasenschafe, die man auch besuchen kann. Diese Kooperation zwischen Restauration und Viehwirtschaft befand sich im Gleichgewicht. Allerdings hatte sich Paul Julen schon lange mit dem Gedanken befasst, eine geeignetere Nutzung der Speiseabfälle aus Restaurants und Hotels zu verwirklichen. Als diese Abfälle der gesamten Gemeinde Zermatt in einer konventionellen Kehrichtverwertungsanlage aufgrund des hohen Nassanteils zu Mehrkosten führen sollten, hat die Gemeinde der Schaffung einer lokalen Biogasanlage zugestimmt.
Heute verarbeitet die Matterhorn Biogas Power AG zur Hälfte Speiseabfälle der zahlreichen Restaurants und Hotels in Zermatt und zur andern Hälfte Mist von örtlichen Bauernbetrieben. Die Speiseabfälle werden nach der Anlieferung zunächst in einer Hammermühle zerkleinert, anschliessend durch die Erwärmung auf 70 °C hygienisiert und mit einer Zentrifuge von schwereren Bestandteilen befreit. Danach gelangt die flüssige Substanz in einen Fermenter, zusammen mit dem Mist der eigenen Tierhaltung, der vom darüber liegenden Stall direkt eingebracht wird. Fermenter (500 m3), Nachgärer (530 m3), Gaslager (350 m3) und Zwischenlager (1200 m3) mussten in einem angegliederten Neubau integriert werden.
Unterirdische Konzeption aufgrund der touristischen Ansprüche
Unterschiedliche Anforderungen waren bei der Konzeption dieser Behälter zu erfüllen. Daraus resultierte ein unterirdischer Einbau, weil durch die Topografie eine gewisse Lawinengefahr vorhanden ist, die Geruchsemission verhindert werden musste und ein Tourismus-verträgliches Landschaftsbild erhalten werden sollte.
Der aus Kunststoff bestehende, flexibel vergrösserbare Gasbehälter (Gas-Ballon) ist hier im Gebäude eingebaut und so von Sonne und Witterung geschützt, was als Vorteil gilt. Die Planung und Anlagenberechnungen wurden von einem auf die Speiseabfall-Verwertung spezialisiertes Unternehmen in Deutschland durchgeführt.
Die Leistung des zur Stromproduktion dienenden Blockheizkraftwerks (Avesco) von 150 kW basierte auf den Mengenprognosen. Gleichzeitig musste man berücksichtigen, dass auf 1’650 Meter Höhe gewisse Leistungseinbussen aufgrund des geringeren Sauerstoffgehalts der Luft eintreten werden.
Starke saisonale Schwankungen bewältigen
Paul Julen: «Wir erzeugen Biostrom rund um die Uhr, das ganze Jahr hindurch. Allerdings betreiben wir den Gasmotor meist in Teillast, was sich auch schonend auf die Komponenten auswirkt.» Besondere Herausforderungen ergeben sich durch die saisonalen Mengenunterschiede der anfallenden Speisereste. Während im November – in der Zwischensaison – rund 2,5 Tonnen zu bewältigen sind, steigert sich dieser Wert über Weihnachten um ein Mehrfaches. Dabei gilt es, die Stabilität des biologischen Gleichgewichts im Fermenter auch bei solch grossen Mengenschwankungen aufrecht zu erhalten.
Ein anderes Problem entsteht, wenn beim Mist beispielsweise harte Bestandteile (Steine, Metallteile usw.) mitgeliefert werden, die dann zu Schäden in der Biogasanlage führen. Als Landwirt hat Paul Julen aber alle Sympathie für die biogenen Kreisläufe, die sich mit dieser Anlage ergeben. Sei es die Erzeugung von hochwertiger Gülle und von Komposterde, sei es beim Einsatz der Restwärme für das aktive Trocknen des eingebrachten Grases. Damit kann die Trocknungszeit auf dem Feld merklich verringert werden.
Zuverlässigkeit gefordert
Zwischen dem Forrest Fun Park und der Gornera-Schlucht verarbeitet die Matterhorn Biogas Power AG die biogenen Abfälle von Zermatt und erzeugt für rund 300 Haushalte Biostrom. Der Ertrag liegt zwischen 800’000 und 900’000 kWh pro Jahr. Im autofreien Zermatt, wo seit Jahrzehnten batteriebetriebene Elektrofahrzeuge die Mobilität gewährleisten, ist dieser Beitrag an erneuerbarem Strom willkommen. Noch sind die wirtschaftlichen Gegebenheiten – trotz des Beitrags durch die kostendeckende Einspeisevergütung (KEV) – schwierig, aber alle involvierten Akteure bekennen sich zur nachhaltigen Chance dieser Biogasanlage am Ende des Zermatter-Tals. Paul Julen fasst zusammen: «Durch unsere exponierte Lage sind wir auf eine hohe Funktionszuverlässigkeit angewiesen, die wir sowohl bei unserem Anlagenkonzept als auch speziell beim Blockheizkraftwerk schätzen.»
Kontakt:
Paul Julen
Matterhorn Biogas Power AG
CH-3920 Zermatt
biogas@julen.ch
www.julen.ch/de/portal/news/biogasanlage