«Der Schritt in die dezentrale Energieerzeugung auf der Basis von Biogas hat sich bei uns in den vergangenen Jahren bestätigt und wird auch im künftigen Energiesystem der Schweiz eine wichtige Rolle spielen.» Werner Humbel, Inhaber und Geschäftsleiter der Recycling Energie AG im aargauischen Nesselnbach schaut einerseits auf eine lange familiäre Tradition zurück, anderseits kennt er die Potenziale und Chancen der energetischen Verwertung von biogenen Abfällen. Mit der Entwicklung und dem Bau der schweizweit grössten Biogasanlage zum Recycling von biogenen Abfällen konnte er einen Meilenstein für die Schaffung der Kreislaufwirtschaft setzen.
Vom Landwirtschaftsbetrieb zum Recycling-Unternehmen
Der Anfang liegt bereits 50 Jahre zurück, als sein Vater Otto Humbel eine Schweinemast aufbaute. Um 1990 führte die Familie einen Betrieb mit rund 1500 Tieren. Später kam noch eine Beteiligung an einer Transport- und Handelsfirma hinzu, wurde die Gemüse- und Früchteverwertung eines Grossverteilers gestartet sowie Speisereste aus der Region verwertet. Mit dem Verbot des Verfütterns von Speiseresten auf Anfang 2011 musste eine grundsätzliche Umstellung der Aktivitäten realisiert werden. Die Gründung der Recycling Energie AG wurde zum Startpunkt der Planung einer modernen Biogasanlage.
Die Kompetenzen der Logistik und der Verwertung unterschiedlicher biogener Abfälle waren vorhanden, die komplexe Anlagenplanung und Realisierung führten externe Spezialisten durch. Heute werden zu 90 % Speisereste aus einem Einzugsgebiet mit einem Radius von ca. 50 km eingesammelt. Aufgrund der darin vorhandenen Agglomerationen und zahlreichen Lebensmittelverarbeitungsfirmen können etwa zwei Drittel des schweizerischen Potenzials oder jährlich ca. 40’000 Tonnen Speisereste und Rüstabfälle aus Gastronomie und Industrie gewonnen und anschliessend verwertet werden. Hinzu kommen noch 10 % landwirtschaftliche Nebenprodukte wie Gülle, Mist und Grüngut.
Werner Humbel sagt: «Unsere tägliche Aufgabe besteht darin, die vorhandenen Stoffe so zu mischen und in die Fermenter einzubringen, dass ein stabiler und effizienter Prozess stattfinden kann. Dabei ist viel Fingerspitzengefühl und langjährige Erfahrung im Umgang mit Mikroorganismen gefragt.»
Blockheizkraftwerke zwischen Fermentern und Nutzern
Zwei Hauptfermenter mit je 22 m Durchmesser und einem Volumen von 2000 m3 sowie ein Nachfermenter mit 3000 m3 Inhalt stehen zur Verfügung, um durch die Flüssigvergärung Biogas zu generieren. Zentrale Komponenten der Anlage waren von Beginn an zwei Blockheizkraftwerke (BHKW), mit denen gleichzeitig Strom und Wärme erzeugt werden können. Seit Herbst 2011 sind die beiden Gasmotoren von GE Jenbacher, mit je 20 Zylindern und je 1 MW elektrischer und thermischer Leistung, beinahe rund um die Uhr im Einsatz. Jährlich können damit rund 18’000 MWh Biostrom erzeugt und davon ein grosser Teil ins Netz der EWZ gespiesen werden. Die Wärme wird einerseits für verschiedene Aufgaben in der Anlage genutzt, anderseits mit einer Fernwärmeleitung dem grössten aargauischen Zentrum für Pflege und Betreuung Reusspark zugeführt. Dort lassen sich auf diese Weise jährlich 300’000 Liter Heizöl einsparen.
Die Vorlauftemperatur ab BHKW liegt bei ca. 90 °C. Für die Waschanlage der zahlreichen Transport-Container wird mit einer zusätzlichen Einrichtung der nötige Dampf erzeugt. Die für das zunächst erforderliche Hygienisieren der angelieferten und zerkleinerten Stoffe eingesetzten Spiralwärmetauscher werden jedoch direkt mit Wärme (70 °C) versorgt.
«Wir haben bei dem BHKW eine Betriebsnutzung von 99 % erreicht, indem wir die Motoren nur für Öl- und Kerzenwechsel sowie gezielte Revisionen stoppen. Diese Unterbrüche werden allerdings sehr sorgfältig geplant und ähneln dann eher einem Formel-1-Stopp», sagt Werner Humbel.
Ausbau für zusätzliche Gaslieferungen
Die Überlegungen zur Zukunft gehen weiter. Mit dem Bau von zwei zusätzlichen Nachfermentern kann die Biogasmenge künftig erhöht und somit eine mögliche Gaseinspeisung ins Netz geplant werden. Die erforderliche Zuleitung vom nahen Mellingen aus war Anfang 2017 bereits im Bau; die erforderlichen Einrichtungen im Betrieb sind ebenfalls geplant. Damit kann die Recycling Energie AG zum Lieferanten von Strom und Wärme sowie von Biogas werden; Biodiesel und Flüssigdünger gehören bereits heute zum Angebot.
Werner Humbel hält fest: «Mit der Flüssigvergärung, für die sich vor allem Speiseabfälle eignen, nutzen wir eine wichtige Nische zwischen Feststoffen und Abwässern. Zudem stehen wir keineswegs in Konkurrenz zu Kompogas, dessen Verfahren sich vor allem für die Verwertung von biogenem Grüngut eignet.» Vielmehr pflegt das Unternehmen in Nesselnbach durch seine bewährte Logistikkompetenzen und -kapazitäten eine intensive Zusammenarbeit mit anderen Abfallverwertern. Man versteht sich in dieser Aufgabe als Drehscheibe für Biomasse und ist sich durchaus bewusst, dass für eine solide Prozessführung eine ausgewogene Beschickung nötig ist. Dadurch ergeben sich immer wieder wertvolle Synergien mit anderen Betrieben.
Erneuerbarer Strom und Abwärme werden intensiv genutzt
Ausgestattet mit einem tief gegründeten Verständnis der landwirtschaftlichen Zusammenhänge und dem Wunsch nach Schaffung von stofflichen und energetischen Kreisläufen hat das Unternehmen von Werner Humbel auch auf die Wärme-Kraft-Kopplung gesetzt. Ihre Aufgabe stellt die wirkungsvolle Umwandlung von Biogas in Strom und Wärme dar, die sowohl im Betrieb selbst als auch bei externer Nutzung dienen, also für die Bewohnerinnen und Bewohnern des Reussparks sowie die zahlreichen Stromkonsumenten der Stadt Zürich. Dort können über 5000 Haushalte mit diesem Biostrom versorgt werden. Deshalb wird die Recycling Energie AG auch immer wieder von ausländischen Gruppen besucht, die sich hier über die integrale Konzeption von Anlagetechnik und Logistik informieren wollen.
Kontakt
Werner Humbel
Recycling Energie AG
CH-5524 Nesselnbach
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