11. Mai 2021
Was geschieht, wenn in ein paar Jahren fast alle Autos mit Strom fahren? Eine Studie zeigt, dass die Schweiz
massiv mehr Strom produzieren muss. Die Autoindustrie bringt derzeit im Wochentakt neue E-Auto-Modelle auf den Markt. Besonders deutsche Hersteller
übertreffen sich gegenseitig bei der Umrüstung ihrer Flotte von Verbrennern hin zu Fahrzeugen mit Elektroantrieb.
Gebremst wird der rasante Wandel höchstens von zurückhaltenden Kunden und fehlender Ladeinfrastruktur. Doch
es gibt noch ein anderes Hindernis, das den Siegeszug der E-Autos aufhalten kann, zumindest hierzulande:
Der Strom reicht nicht.
Eine Studie rechnet vor, wie viel Strom die Schweiz zusätzlich benötigen dürfte, um die Batterien der E-Autos der Zukunft aufzuladen. Die von der Schweizerischen Energie-Stiftung (SES) herausgegebene Untersuchung zeigt: Fahren in naher Zukunft alle Autos in der Schweiz mit einem batteriebetriebenen Elektromotor, nimmt der Stromverbrauch massiv zu: Je nach Szenario um 16 bis 33 Prozent.
Drei Szenarien durchgerechnet
Um die Entwicklungen der Zukunft mit Homeoffice und einer reduzierten Mobilität aufzufangen, rechnet die Studie mehrere Szenarien durch. Beim Szenario «weiter wie bisher» setzt sich die Verkehrszunahme der letzten Jahre fort. Laut Bundesamt für Raumentwicklung wäre dies ein Plus von 18 Prozent bis 2040. Würden dann alle Autos mit Batterien betrieben, stiege der Strombedarf um 25 bis 33 Prozent gegenüber dem heutigen Verbrauch der Schweiz. Beim zweiten Szenario, der «Verkehrswende light», wird mit 10 Prozent weniger gefahrenen Autokilometern gerechnet. Dafür braucht es aber eine Steigerung bei Car-Pooling, Förderung des Veloverkehrs und Massnahmen für mehr Homeoffice. Doch auch bei diesem Szenario steigt der Strombedarf um 21 bis 29 Prozent. Beim Szenario «neue Mobilitätspolitik» reduziert sich der motorisierte Personenverkehr um 30 Prozent. Dafür brauche es jedoch «eine umfassende Reduktion im Sinne einer Mobilitätswende», schreibt der Studienautor. Doch selbst bei diesem Szenario beträgt der zusätzliche Strombedarf für die Elektroautos 16 bis 21 Prozent des heutigen Verbrauchs.
Investitionen in erneuerbaren Strom zu wenig berücksichtigt
«Elektromobilität ist energieeffizient und am besten fürs Klima», hält Studienautor Florian Brunner von der Schweizerischen Energie-Stiftung grundsätzlich fest. Doch beim Umstieg aufs E-Auto werde der dafür nötige erneuerbare Strom zu wenig berücksichtigt. «Der Schub bei der E-Mobilität ist gut, allerdings muss man den dafür nötigen erneuerbaren Strom mitdenken und mitfördern», fordert Brunner. Denn baue die Schweiz nicht im gleichen Ausmass aus, werde sie von Stromimporten aus dem Ausland abhängig. Und dort ist der Anteil an Kohle- und Atomstrom immer noch sehr hoch, wie ein Blick nach Frankreich und Deutschland zeigt. Deshalb dränge die Zeit für den Ausbau von Solar- und Windstrom in der Schweiz: Bereits bis 2030 wird laut SES-Studie jedes dritte Auto elektrisch unterwegs sein, 2050 sollen es laut der Prognose 100 Prozent sein. Um den beschlossenen Atomausstieg und das Klimaziel netto Null parallel dazu ebenfalls zu erreichen, bestehe deshalb heute dringend Handlungsbedarf beim Ausbau einheimischer erneuerbarer Energien. Zuletzt betrug der Anteil von Sonne, Wind und Biomasse an der Schweizer Stromproduktion bloss 4,2 Prozent. Atomkraftwerke produzieren heute 35 Prozent unseres Stromverbrauchs, die Wasserkraft 56 Prozent. Im europäischen Vergleich liegt die Schweiz damit in Sachen erneuerbare Energie auf den hintersten Rängen.