29. Mai 2021
Brüssel fällt die politisch delikate Aufgabe zu, nach dem Verhandlungsabbruch für bilaterale Verträge die Regeln für die Sicherstellung des Netzbetriebs mit dem Land zu definieren.
Die Verhandlungen über das Stromabkommen sind das Drama im Drama der qualvollen Geschichte der Schweiz mit der Europäischen Union: Seit Mitte der 1990er Jahre schleppen sich Gespräche und Verhandlungsrunden über einen Elektrizitätsvertrag hin ohne Aussicht auf eine Übereinkunft. Aktuell ist die Schweiz aus nahezu allen politischen Gremien des Energiebinnenmarktes sowie – als Staat – von der Teilnahme ausgeschlossen. Bis sie den EU-Akteuren Gegenrecht in ihrem Land gewährt, statt sich weiter abzuschotten, wie es in Brüssel heißt. Pendent ist die Frage, ob sie aktuell Mitglied im europäischen Stromverband Entso-E bleiben kann.
Verbundnetz wackelt ohne bilaterale Übereinkunft
Nachdem sich die Schweizer am 26. Mai aus den laufenden zweistaatlichen Verhandlungen genommen hat, liegt nun der politisch delikate Ball bei Brüssel und den 27 Mitgliedsstaaten. Es muss geklärt werden, welche unbedingt notwendigen technischen Fragen für einen sicheren Betrieb des Verbundnetzes, in das die Schweiz wie kein zweites Land eingebunden ist, mindestens gelten sollen – und müssen. Ansonsten droht sich wegen fehlender internationaler Koordination ein Blackout wie im September 2003 in Italien zu wiederholen, als die Schweizer und die europäischen Netzpartner zu lange benötigten, sich zu verständigen. Sekunden später tauchte fast ganz Italien ausgerechnet in der „Weißen Nacht“, in die stromlose Dunkelheit eines Blackouts. Avenir Suisse, ein wirtschaftsliberales Institut, machte in einem Kommentar zum unilateralen Verhandlungsabbruch, der viele EU-Politiker seiner Stillosigkeit wegen vor den Kopf gestoßen hat, auf diese Besonderheit aufmerksam: Normalerweise bedeute ein vertragsloses Handeln Autonomie in der Politik; im Stromgeschäft aber verhält es sich genau genommen umgekehrt. Es bedeutet den Verlust über die Kontrolle des eigenen Netzes, weil es dazu zwingend Abmachungen benötigt. Quelle: E&M / MARC GUSEWSKI / 1. Juni 2021 Konsequenzen Absage EU Rahmenabkommen